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Beschluss: Freiwilligendienste Rheinland-Pfalz und deutschlandweit stärken

am 09.05.2025 - 12:35 Uhr

Die 118. Vollversammlung fordert die Stärkung der Freiwilligendienste in Rheinland-Pfalz, da diese einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Konkret bedeutet das unter anderem kostenfreie ÖPNV-Tickets für Freiwilligendienstleistende, um den Freiwilligendienst attraktiver zu machen und eine Abkehr von der politischen Diskussion um einen sozialen Pflichtdienst beziehungsweise der Wehrpflicht.

Adressat*innen:
• Landesregierung
• Landespolitik


Ein Freiwilligendienst, gleich ob Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) oder einem Bundesfreiwilligendienst (BFD), bietet Vorteile für alle Beteiligten: Freiwillige können sich persönlich und beruflich orientieren, wertvolle Erfahrungen sammeln und Anerkennung erfahren. Einsatzstellen profitieren von zusätzlicher Unterstützung und frischem Wind durch junge Menschen, die potenziell als zukünftige Fachkräfte gewonnen werden können. Für die Gesellschaft stärkt das FSJ den sozialen Zusammenhalt, indem es Begegnungen über soziale und kulturelle Grenzen hinweg ermöglicht, Berührungsängste abbaut und die Demokratiefähigkeit der Beteiligten fördert.


Aus diesen Gründen tragen wir als Landesjugendring Rheinland-Pfalz den Beschluss der DBJR-Vollversammlung 2020 „Freiwilligendienste jetzt stärken!“<sup>1</sup> voller Überzeugung mit.


Darüber hinaus fordern wir:

  • Eine gesetzliche Garantie und ein entsprechendes Recht auf auskömmliche Förderung einer jeden Vereinbarung, die zwischen Freiwilligen, Trägern und Einsatzstellen zustande kommt.
  • Ein staatlich finanziertes Freiwilligengeld auf BaFög-Niveau.
  • Eine Abkehr von der politischen Diskussion um einen sozialen Pflichtdienst und die Beibehaltung der Aussetzung der Wehrpflicht.
  • #freiefahrtfuerfreiwillige – Ein Angebot kostenfreier oder kostengünstiger ÖPNV-Tickets für alle Freiwilligen in Rheinland-Pfalz. Freiwillige nehmen für ihr Engagement Wege zur Einsatzstelle in Kauf, für die sie auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind. Busse und Bahnen sind die Verkehrsmittel Nr. 1 für viele Freiwillige. Freiwillige benötigen eine einfache, kostengünstige Mobilität, um ihre Dienststelle zu erreichen, Gleichgesinnte zu treffen und ihre Region zu erkunden. Ein kostenfreies oder kostengünstiges ÖPNV-Ticket stärkt zudem die öffentliche Wertschätzung ihres Engagements in Freiwilligendiensten.
  • Eine Anpassung des Schulgesetzes, welche den Freiwilligendienst generell als anerkannten Grund für das Aussetzen der Schulpflicht für gültig erklärt. Derzeit ist dies nur im Rahmen eines befristeten Modellprojekts und ausschließlich in den Bereichen Pflege oder Erziehung möglich. Dieser Weg ist für die Zielgruppe unnötig kompliziert und erfordert eine jährliche, kurzfristige Genehmigung durch das Ministerium, was die Planungssicherheit für Träger erheblich erschwert. Eine dauerhafte gesetzliche Regelung ist daher dringend erforderlich.
  • Die Einführung eines Informationsschreibens einer politisch verantwortlichen Person alle angehenden Schulabgänger*innen mit Informationen und der Einladung, sich bewusst für einen Freiwilligendienst zu entscheiden.

 

Begründung
Freiwilligendienste im In- und Ausland sind eine besondere Form des bürgerschaftlichen Engagements. Freiwilligendienste fördern das Einnehmen neuer Perspektiven und die Fähigkeit, sich mit gegenteiligen Meinungen auseinanderzusetzen und erhöhen die Sozialkompetenzen. Das Bewusstsein junger Menschen für den Wert von Solidarität und gesellschaftlichem Zusammenhalt wird geschärft. In den Einsatzstellen übernehmen Freiwillige Hilfstätigkeiten, die Fachkräfte entlasten. Sie treiben Projekte voran, die im Alltag aufgrund begrenzter Kapazitäten zurückgestellt werden würden. Gesellschaftlichen Fragmentierungsprozessen wird entgegengewirkt, indem sich alle jungen Menschen milieuübergreifend einbringen können. Konstitutives Element der Dienste ist die Freiwilligkeit der Teilnehmer*innen. Denn nur diese motiviert zu weiterem freiwilligem Engagement.


Die Freiwilligendienste sind aus zivilgesellschaftlichen, kirchlichen Strukturen hervorgegangen und werden seit 1964 in gesetzlichen Strukturen geregelt. Die Dienste werden als Bildungs- und Orientierungsjahr durchgeführt sowie arbeitsmarktneutral und an den Interessen der Freiwilligen ausgerichtet gestaltet. Der Bildungs- und Orientierungscharakter wird im Freiwilligendienst durch hochwertige pädagogische Begleitung gewährleistet, um die Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen.


Dabei ist für uns klar, Freiwilligendienste sind kein arbeitsmarktpolitisches Instrument sind. Wir setzen uns für eine angemessene pädagogische Förder- und Forderungspolitik ein. Freiwillige sollen in ihren Interessen gefördert und gleichermaßen in der Arbeit gefordert werden, statt undankbare Aufgaben zu erledigen. Ein Freiwilligendienst ist vielmehr eine Chance, den Arbeitsalltag kennenzulernen und sich weiterzuentwickeln. Dies geschieht unter Einhaltung der Arbeitsmarktneutralität und gerahmt von qualitativ hochwertiger Bildungsarbeit.


Noch immer ist es ein Privileg, einen Freiwilligendienst leisten zu können. Freiwillige erhalten für ihren Dienst kein Entgelt, sondern lediglich ein Taschengeld, das nicht ausreicht, um Lebenshaltungskosten zu decken. Um den Abbau von strukturellen, insbesondere sozioökonomischen Barrieren in den Freiwilligendiensten voranzutreiben, bedarf es auch von staatlicher Seite stärkerer Unterstützung. Ein weiteres Hemmnis zur Leistung eines Freiwilligendienstes ist das Unwissen, wie und wo ein solcher Dienst geleistet werden kann. Offensive Werbung und niedrigschwellige Informationen für ein gesellschaftliches Engagement überwiegend junger Menschen in den Freiwilligendiensten sind notwendig, werden zurzeit allerdings nicht refinanziert. Gemeinsam mit einer entsprechenden Informationskampagne, einer „Einladung der Gesellschaft“ zu einem Freiwilligendienst, könnte die Anzahl an Freiwilligendienstleistenden pro Jahrgang mindestens verdoppelt werden. Nur so wird ein freiwilliges Recht auf Dienst zum konkreten Gegenentwurf zu einer unsolidarischen Pflicht zum Dienst.


Junge Menschen müssen nicht zu sinnvollen Tätigkeiten gezwungen werden. Das beweisen jedes Jahr rund 100.000 überwiegend junge Menschen, die sich deutschlandweit in einem Freiwilligendienst engagieren. Ein Pflichtdienst widerspricht außerdem den elementaren Freiheits- und Grundrechten, die der Vorstellung eines solidarischen Miteinanders der Generation zuwiderlaufen, ist paternalistisch und schränkt die Zukunftsperspektiven junger Menschen ein. Weiter ist er mit der derzeitigen Fassung des Grundgesetzes unvereinbar, die Vereinbarkeit mit der Europäischen Menschenrechtskonvention ist mindestens strittig. Ein Pflichtdienst wirkt im Gegensatz zum Freiwilligendienst demotivierend und kann zu antriebslosem Absitzen der Dienstzeit führen, was wiederum eine zusätzliche Belastung für die Einsatzstellen darstellt. Wer gegen den eigenen Willen zu einem Dienst an der Gesellschaft gezwungen wird, ist für den Rest seines Lebens eher der Überzeugung, nun genug getan zu haben, was sich kontraproduktiv auf das Ehrenamt auswirkt. Wir haben die Sorge, dass sich die Arbeitsumstände und pädagogische Begleitung durch einen Pflichtdienst deutlich verschlechtern würden. Zudem überschreiten die geschätzten Kosten für einen Pflichtdienst die geschätzten Kosten für einen Rechtsanspruch auf Förderung eines jeden geschlossenen Freiwilligendienstvertrages um den Faktor fünf bis acht.

Der Freiwilligendienst fällt in die Verantwortung der Bundespolitik, doch auch das Landesministerium hat eine entscheidende Rolle dabei, dieses Anliegen auf Bundesebene einzubringen. Gleichzeitig gibt es auf Landesebene verschiedene Stellschrauben, um die Situation der Freiwilligen spürbar zu verbessern. In Rheinland-Pfalz können gezielte Maßnahmen ergriffen werden, etwa durch bessere finanzielle Unterstützung, eine erleichterte Anerkennung des im Schulrecht oder eine stärkere Förderung von Mobilität und Werbung, um mehr junge Menschen für ein freiwilliges Engagement zu gewinnen.


<sup>1</sup>https://www.dbjr.de/artikel/freiwilligendienste-jetzt-staerken 


Mehrheitlich beschlossen durch die 118. Vollversammlung des Landesjugendringes Rheinland-Pfalz e. V. am 5. April 2025 in Koblenz.

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